Warum meine Figuren nicht ich sind – und warum das gut so ist

Als Autorin stehe ich immer wieder vor der Herausforderung, meine Figuren so authentisch und vielschichtig wie möglich zu gestalten. Doch manche Leser kritisieren, dass einige meiner Charaktere zu vulgär, unsympathisch oder unfreundlich wirken. Besonders meine Hauptfigur Frank Kessler, Kriminalhauptkommissar, sorgt bei manchen für Stirnrunzeln. Er gibt sich im ersten Teil meiner Reihe oft cholerisch und herablassend gegenüber Opfern und Verdächtigen – ja, manchmal benimmt er sich unter aller Sau. Deswegen wird die Wortwahl, die ich ihm in den Mund lege, oft mir zugeschrieben. Aber genau hier liegt das Missverständnis: Frank Kessler ist nicht ich.

1. Trennung von Autorin und Figur

Es ist wichtig, die Trennung zwischen mir als Autorin und meinen Figuren zu verstehen. Meine Figuren sind eigenständige Persönlichkeiten, die nicht meine eigenen Gedanken und Meinungen widerspiegeln (ok, nicht immer 😉). Frank Kessler ist ein fiktiver Charakter, dessen Verhalten und Sprache speziell auf seine Hintergrundgeschichte und seine persönliche Entwicklung abgestimmt sind. Ich lasse ihn authentisch sein, aber das bedeutet nicht, dass ich seine Art gutheiße oder gar persönlich vertrete. Beim Schreiben entwickeln meine Figuren oft ein Eigenleben und entfalten ihre eigene Persönlichkeit. Ich begleite sie dabei und lasse es zu, ob das sie nun sympathischer macht oder nicht. Für mich ist das Schreiben über solche Charaktere eine Art „therapeutisches Austoben“ – eine kreative Freiheit, die sowohl mir als auch den Lesern erlaubt, in diese komplexen und manchmal widersprüchlichen Persönlichkeiten einzutauchen.

2. Die Notwendigkeit unsympathischer Hauptfiguren

Ich bin kein Freund von durchweg sympathischen Hauptfiguren. Sie wirken auf mich oft zu glatt, zu perfekt und damit wenig glaubwürdig. Jeder Mensch hat seine Vergangenheit, seine Traumata, seine Kämpfe – und das gilt auch für Frank. Der Verlust seiner Frau und die Verantwortung, nun alleinerziehender Vater zu sein, haben ihn tief getroffen und verändert. Er ist härter geworden, rauer, und manchmal auch ungehobelt. Doch genau diese Fehler und Unvollkommenheiten machen ihn menschlich und für mich als Autorin spannend – und für viele Leser, so hoffe ich, nachvollziehbar. Es sind oft die Ecken und Kanten, die eine Figur interessant machen, die sie von der Masse abheben und uns zeigen, dass niemand unfehlbar ist.

3. Authentizität im Umgangston

Natürlich, Frank redet oft wie der letzte Asi – und ja, ich gebe zu, wenn ich selbst auf 180 bin, ist meine Wortwahl oft nicht viel anders. 😅 Wir alle kennen solche Momente, in denen wir nicht die freundlichsten Worte wählen, besonders wenn wir unter enormem Druck stehen. Frank ist ein Mensch, kein Superheld. Er hat schlechte Tage, reagiert über, und ja, manchmal fliegen die Fetzen. Aber das macht ihn nicht zu einem schlechten Menschen oder zu einem schlechten Polizisten. Es macht ihn zu einem echten, vielschichtigen Charakter, der auch seine verletzlichen Seiten hat. In der Realität sind auch diejenigen, die bei der Kripo arbeiten, am Ende des Tages nur Menschen – mit all den Schwächen und Makeln, die uns menschlich machen.

4. Die Entwicklung meiner Figuren

Ein weiterer Aspekt, den ich betonen möchte, ist die Entwicklung meiner Figuren im Laufe der Geschichte. Figuren wie Frank Kessler oder Erik Wagner sind keine statischen, unfehlbaren Helden. Sie machen Fehler, sie lernen, sie wachsen. Wer alle bisherigen Bände der Kessler und Wagner-Reihe gelesen hat, wird bemerkt haben, dass auch ein vermeintlicher Holzklotz wie Frank Entwicklungspotential hat. Seine rauen Kanten beginnen sich zu glätten, und seine harte Schale zeigt Risse, durch die der Mensch darunter sichtbar wird. Diese Entwicklung ist essenziell, um den Figuren Tiefe zu verleihen und sie für den Leser lebendig zu machen.

5. Trennung von Fiktion und Realität

Zu guter Letzt möchte ich auf die klare Trennung zwischen Fiktion und Realität hinweisen. Nur weil Frank Kessler in meinen Büchern als Kriminalbeamter manchmal überstürzt handelt oder nicht immer nach Vorschrift arbeitet, heißt das nicht, dass ich solche Verhaltensweisen im echten Leben gutheiße oder befürworte. Aber seien wir ehrlich: Es wäre doch langweilig, wenn sich alle Figuren immer an die Regeln halten würden, oder? Die Welt ist nun mal nicht schwarz-weiß, sondern voller Grautöne, und genau das spiegelt sich auch in meinen Charakteren wider. Sie sind keine perfekten Vorbilder, sondern sollen menschlich und realistisch wirken – mit all den Widersprüchen und Unzulänglichkeiten, die uns als Menschen ausmachen.

Schlusswort

Zum Abschluss möchte ich noch einmal betonen: Ich bin nicht meine Figuren, und meine Figuren sind nicht ich. Sie sind Produkte meiner Vorstellungskraft, die dazu dienen, eine Geschichte zu erzählen, die spannend, realistisch und manchmal auch unbequem ist. Das bedeutet natürlich nicht, dass ich die Kritik meiner Leser nicht wertschätze oder nicht kritikfähig bin. Im Gegenteil, ich finde den Austausch mit euch unglaublich wichtig und inspirierend. Ich möchte jedoch erklären, warum ich Frank dennoch wahnsinnig liebe – trotz oder gerade wegen seiner Fehler und Schwächen. Ich hoffe, dass diese Charaktere, so widersprüchlich und unvollkommen sie auch sein mögen, die Leser berühren und zum Nachdenken anregen – und vielleicht sogar zu der Erkenntnis führen, dass auch in uns allen ein bisschen Frank Kessler steckt.

Ich freue mich auf eure Meinungen und Anregungen!

 

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Kommentare: 1
  • #1

    Hädndädn (Donnerstag, 22 August 2024 00:11)

    Dass so eine Klarstellung notwendig ist (und das ist sie offensichtlich!), spricht dafür, dass die Qualität des Deutschunterrichts in den letzten 20 Jahren wohl weiter nachgelassen hat und die heutige Bücher-Community deutlich weniger von Literatur versteht, auf ganz basaler handwerklicher Ebene, als in früheren Zeiten. Das ist keine Bewertung, nur eine Beobachtung.